Allgemeines
Das vordere und das hintere Kreuzband sind die zentralen Bänder des Kniegelenkes. Gemeinsam mit Innen- und Aussenbandapparat, Menisken und Gelenkkapsel stabilisieren sie das Kniegelenk. Sie sind für die Stabilität des Gelenkes von elementarer Bedeutung. Gleichzeitig steuern sie den äusserst komplizierten Bewegungsablauf des Kniegelenkes, der sich aus Rollen, Gleiten und Rotieren der Gelenkflächen zusammensetzt. Das Fehlen eines Kreuzbandes (Kreuzbandriss) stellt somit eine folgenschwere Verletzung des Kniegelenkes dar, deren Hauptproblem die Instabilität des Kniegelenkes ist (Wackelknie).
Schon beim einfachen Gehen führt diese Instabilität zu nicht wahrnehmbaren Wackelbewegungen (Mikroinstabilität). Spürbare Verschiebebewegungen (Makroinstabilität) des Gelenkes z.B. beim Sport („giving way“ - „Wegknicken“) können akut für schwere Folgeverletzungen von Menisken und Knorpel führen. Kleinere und grössere Verschiebebewegungen führen auf Dauer zu einem vermehrten Verschleiss des Gelenkes, was auch beim jüngeren Patienten schon eine Arthrose auslösen kann.
Gerade bei Sportlern ist die Verletzung des vorderen Kreuzbandes die häufigste Kniebandverletzung. Meist ist sie Folge eines einfachen Verdrehens ohne Fremdeinwirkung und wird als Reissen mit anschliessender Schwellung des Kniegelenkes wahrgenommen. Eine schnelle und richtige Diagnose ist zur Vermeidung von Folgeschäden sehr wichtig.
Heute herrscht allgemein die Übereinstimmung, ein gerissenes Kreuzband bei sportlich aktiven zu ersetzen. Die früher oft durchgeführte Naht des Kreuzbandes konnte dauerhaft keine ausreichenden Ergebnisse liefern, dieses Verfahren ist heute weitgehend verlassen worden. Insbesondere beim jüngeren oder auch beruflich und sportlich aktiven Menschen empfehlen wir den Ersatz des vorderen Kreuzbandes, da heute sehr moderne und schonende arthroskopische Operationsverfahren zur Verfügung stehen. In Einzelfällen kann auch ein konservativer Therapieversuch unternommen werden.
Ein neues sehr innovatives Verfahren zum Erhalt des frisch gerissenen vorderen Kreuzbandes, welches seit Januar 2014 für die Anwendung freigegeben wurde (Ligamys), ist sehr vielversprechend und wurde in unseren Händen mit bisher sehr guten Ergebnissen angewendet. Der Eingriff muss allerdings innnerhalb der ersten drei Wochen nach der frischen Ruptur des vorderen Kreuzbandes durchgeführt werden, damit das Kreuzband erhaltend operiert werden kann. Der grosse Vorteil ist , dass man kein Sehnentransplantat verwenden muss und das eigene Kreuzband wieder verheilen kann und damit auch das Gefühl im Kniegelenk (Propriozeption) ebenfalls erhalten bleibt.
Vordere Kreuzband erhaltende Operation mit dem Ligamys
Arthroskopische Operation am Kreuzband
Zum Ersatz des vorderen Kreuzbandes stehen uns heute verschiedene körpereigene Sehnen zur Verfügung. Für jede der Sehnen bestehen gewisse Vor- und Nachteile, sie sind jedoch generell als gleichwertig anzusehen. Auch die zu erwartenden Langzeitergebnisse sind für die körpereigenen Transplantatsehnen vergleichbar.
Generell sollte man nach heutiger Sicht wenn möglich immer körpereigene Transplantatsehnen verwenden. Vor der Verwendung der in der Vergangenheit häufig verwendeten Kunstbänder muss ausdrücklich gewarnt werden. Schlechte Langzeitergebnisse, Instabilitäten nach Rissen der Kunstbänder und zum Teil erhebliche Fremdkörperreaktionen der Gelenkschleimhaut haben dazu geführt, dass viele Patienten erneut operiert werden mussten.
Bei Revisionseingriffen nach einem erneuten vorderen Kreuzbandriss oder bei komplexen Knieverletzungen können auch Spendersehnen in Betracht gezogen werden und medizinisch indiziert sein. Bei einem primären vorderen Kreuzbandersatz gibt es aus medizinischer Sicht keinen Grund eine Spendersehne zu verwenden.
Auch zur Befestigung des Transplantates am Knochen stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Wir verwenden nur modernste Befestigungsmethoden, die eine sofortige stabile Verankerung mit hoher biomechanischer Ausreisskraft des Transplantates garantieren, damit der Patient schon nach kurzer Zeit mit der Übungsbehandlung beginnen kann. Dabei sollte so wenig Fremdmaterial (Metallschrauben) wie möglich im Gelenkraum verwendet werden. Durch arthroskopische Press-fit Methoden kann zum Teil ganz auf Befestigungsmaterial verzichtet werden. Ansonsten kommen selbstauflösende Schrauben (bioresorbierbare Interferenzschrauben) und kleine Titanplättchen (z.B. Endobutton) zur Anwendung, die wir Ihnen vor der Operation gerne demonstrieren.
Unabhängig von der Befestigungsmethode benötigt jedoch jedes Transplantat eine gewisse Zeit, um fest am Knochen anzuwachsen. In dieser Zeit ist das Gelenk nicht voll belastbar. Es ist in dieser Phase deshalb sehr wichtig, dass die Nachbehandlung exakt eingehalten wird um Überlastungen zu vermeiden, die ein dauerhaft stabiles Einheilen des Sehnentransplantates gefährden und so zu einem schlechten Behandlungsergebnis führen.
Der Operateur muss für jeden Patienten individuell entscheiden, welches die geeignetste Kombination von Befestigungsverfahren und Sehnentransplantat ist. Vor- und Nachteile der verschiedenen Transplantatsehnen sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
Zweikanaltechnik – Vierkanaltechnik
Die heutige Standardtechnik ist eine sogenannte Zweikanaltechnik (zwei Bohrkanäle, ein Kanal am Unterschenkel - ein am Oberschenkelknochen).
Die seit einigen Jahren in der Literatur und auf Kongressen propagierte Vierkanaltechnick (zwei Kanäle am Unterschenkel - zwei am Oberschenkelknochen) wird von immer mehr Operateuren wieder verlassen, da sie nur kurzfristig eine bessere Rotationsstabilität (bei Messungen) erbrachte, diese aber klinisch, im Alltag und im Sport, keine wesentlichen Vorteile zeigt und bei erneuten Kreuzbandrissen, der Revisionseingriff mit erheblich mehr Problemen und Schwierigkeiten behaftet ist. Der Langzeitverlauf im Bezug auf eine Arthroseentwicklung (Gelenkverschleiss) kann allerdings noch nicht endgültig im Vergleich zur Zweikanaltechnik beurteilt werden.
Kniekehlensehnen
(Semitendinosus- und Gracilissehne, Quadruple-Hamstring Transplantat)
Vorteile:
- kleiner, kosmetisch günstiger Hautschnitt
- einfache Entnahme der Sehnen
- geringe Komplikationsrate
- wenig Schmerzen und Probleme an der Sehnenentnahmestelle
- höchste maximale Reisskraft der 4-fach Sehne
- Steifheit ähnelt der des vorderen Kreuzbandes
Nachteile:
- langsames Einheilen der Sehne in den Knochenkanälen über 10-12 Wochen
- dadurch vorsichtigere Nachbehandlung notwendig
Kniescheibensehne
(Patella Sehne, Ligamentum patellae-Transplantat)
Vorteile:
- ältestes, bewährtes Verfahren
- hohe maximale Reisskraft
- gute Befestigung des Transplantates mit hoher Primärfestigkeit
- schnelles Einheilen des Transplantates durch Knochenheilung in etwa 6 Wochen
- frühe Belastbarkeit, forcierte Nachbehandlung möglich
Nachteile:
- Schmerzen an der Entnahmestelle häufiger, vorderer Knieschmerz
- gelegentlich Narbenprobleme
- Restrisiko für Kniescheibensehnenriss oder Bruch der Kniescheibe
- leichte Verminderung der Muskelkraft am Oberschenkelstreckmuskel
- Vorsicht bei überwiegend kniender Berufsausübung (z.B. Fliesenleger)
Sehne des Oberschenkelstreckmuskels (Quadricepssehnen-Transplantat)
Vorteile:
- hohe Reisskraft
- gute Befestigung des Transplantates
- schnelles Einheilen der knöchernen Transplantatanteils
- vorderer Knieschmerz seltener als bei Patellarsehne
Nachteile:
- Verminderung der Muskelkraft am Oberschenkelstreckmuskel
- Restrisiko für Kniescheibenbruch und Oberschenkelstrecksehnenriss
Spendersehne
In bestimmten Fällen kann auch eine Fremdspendersehne verwendet werden und medizinisch sinnvoll sein. Diese wird nach den Gesetzmässigkeiten einer Organtransplantation ausgewählt (Ausschluss übertragbarer Krankheiten wie Hepatitis o. AIDS). Spendersehnen können in der Schweiz über dafür spezialisierte Firmen bezogen werden.
Operationstechnik (Bevorzugte Technik beim primären VKB-Ersatz)
Die gesamte Operation wird arthroskopisch durchgeführt. Lediglich zur Entnahme des Sehnentransplantates (Semitendinosussehne) muss ein kleiner Hautschnitt von wenigen Zentimetern erfolgen, bei dem jedoch der Gelenkinnenraum nicht eröffnet wird.
Zunächst wird der gesamte Innenraum mit der Arthroskopiekamera eingesehen und auf Schäden hin inspiziert. Mögliche Schäden z.B. an den Menisken werden sofort saniert.
Das Gelenkinnere wird mit Mikroinstrumenten für die Anlage der Transplantatkanäle vorbereitet. Die Platzierung und Anlage der Transplantatkanäle muss äusserst exakt im Bereich der natürlichen Bandansatzstelle erfolgen. Dies geschieht unter Verwendung speziell entwickelter Präzisionsinstrumente, erfordert jedoch vom Operateur viel Erfahrung, eine gute Operationstechnik und ein sehr sorgfältiges Vorgehen. Nach Einziehen des Kreuzbandersatztransplantates erfolgt dann die Verankerung mit dem entsprechenden Verfahren.
Nach dem Verschluss der Haut wird ein Verband und eine Kniestreckschiene angelegt. Schon im Aufwachraum erfolgt eine erste Kühlung. Wenige Stunden nach der Operation darf der Patient mit Schiene und Gehstützen aufstehen.
Nachbehandlung
Wir wissen heute, dass eine frühzeitige Bewegung und dosierte Belastung für die Bandheilung von entscheidender Bedeutung ist. Aus diesem Grunde haben wir ein umfangreiches Nachbehandlungsprogramm erstellt, in das neben unserer eigenen jahrelangen Erfahrung selbstverständlich bewährte Konzepte und wissenschaftliche Untersuchungen miteingeflossen sind.
Jeder Kreuzbandpatient erhält beim Verlassen unserer Einrichtung ein Nachbehandlungskonzept, das auch als Information und Anleitung für alle weiterbehandelnden Ärzte und Therapeuten dient. Dies soll verhindern, dass die Bandheilung durch falsche Übungen oder Belastungen gefährdet wird.
Eine Kontrolle des Behandlungsergebnisses durch uns wird 6 Wochen, 3 Monate, 6 Monate und 9 Monate nach der Operation empfohlen. Diese Zeiträume spielen für die Rückkehr in Beruf und Sport eine wichtige Rolle, so dass eine fachärztliche Kontrolle erfolgen sollte, bevor bestimmte körperliche Aktivitäten wieder aufgenommen werden.
Sportfähigkeit
- Radfahren, Walking nach ca. 6 Wochen
- Jogging nach 3 Monaten
- Kontaktsportarten, Fussball, Handball, Skifahren, Tennis nach 6-9 Monaten